Effektive Bestandsplanung: So vermeidest du leere Regale und Überbestände Die Bestandsplanung, auch Stock Planning genannt, zählt zu den zentralen Herausforderungen für Unternehmen. Um dir zu helfen, dein Lager optimal zu managen und mögliche Engpässe zu vermeiden, findest du hier alle wichtigen Informationen übersichtlich zusammengefasst.
Die Bestandsplanung im eigenen Warenlager, auch Stock Planning genannt, gehört zu den wichtigsten und diffizilsten Aufgaben, denen ein Unternehmen sich gegenübersieht.
Denn was passiert, wenn dabei falsche Voraussagen getroffen werden und der Markt ungenau eingeschätzt wird, konnten wir alle vor einiger Zeit am eigenen Leib erfahren: Dass sich 2020 Menschen in deutschen Supermärkten um die letzte Rolle Toilettenpapier stritten, hat sich wohl in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt.
Um ähnlichen Krisen zukünftig vorzubeugen und dir dabei zu helfen, deinem Lager immer auf dem optimalen Füllstand zu halten, haben wir in diesem Beitrag alle wichtigen Informationen rund um das Thema Stock Planning für dich zusammengetragen und übersichtlich aufbereitet.
Leider zeigt die praktische Erfahrung, dass Stock Planning ein Thema ist, um das sich in vielen Unternehmen gerne gedrückt wird. Zu trocken, nicht aufregend genug. Wenn alle Bestellungen in einem mehr oder weniger akzeptablen Zeitrahmen erfüllt werden können, ist der Angelegenheit genügend Beachtung geschenkt worden – oder? Mitnichten! Denn gutes Stock Planning hält für dein Unternehmen einige handfeste Vorteile bereit:
Durchschnittlich liegen bei jedem Unternehmen 25 bis 50 Prozent des gesamten Firmenwertes als Waren im Lager. Dieses Kapital ist dabei zunächst inaktiv und immer dem Risiko ausgesetzt, an Wert zu verlieren, wenn die Marktsituation sich ändert. Cleveres Stock Planning dagegen setzt Geld frei und ermöglicht neue Investitionen.
Dass Lagerplatz, Logistik und die mit deiner verbundenen Arbeiten Geld kosten, versteht sich von selbst. Häufig werden diese Posten allerdings als notwendiges Übel hingenommen und das sich dort versteckende Optimierungspotenzial übersehen. Eine gute Bestandsplanung hilft, Kosten zu reduzieren und den Arbeitsaufwand zu minimieren.
Richtiges Stock Planning heißt nicht nur, nie zu viel von einem Artikel auf Lager zu haben, sondern auch nie zu wenig. Deinen Kunden müssen sich bei optimaler Umsetzung also nicht in wochenlanger Geduld üben, bis ihre Bestellung eintrifft oder gar mit der gefürchteten Out-of-Stock-Nachricht konfrontiert werden. Insgesamt sorgst du so für eine bessere Customer Experience und damit für mehr Umsatz.
Zuletzt ermöglicht durchdachtes Stock Planning dir, das Verhältnis zu deinem Zulieferer und Produktionsbetrieben auf stabilen Boden zu führen. Denn wenn du in der Lage seid, stets die für dich optimalen Mengen zu ordern, entfallen böse Überraschungen wie die Stornierung von Aufträgen oder der mitternächtliche Überfall mit einer akuten Notfallbestellung.
Eine optimierte Bestandsplanung sollte daher unbedingt weit oben auf deiner To-do-Liste stehen. Wir erklären dir, wie du dabei am besten vorgehst:
Zunächst gilt es dabei zu klären, wie groß der optimale Lagerbestand einer Ware überhaupt sein sollte. Grundsätzlich gibt es hier zwei Denkansätze, die unterschiedlicher kaum sein könnten:
Safety Stock: Apologeten des Safety Stock Prinzips gehen auf Nummer Sicher und haben von jedem Artikel lieber zu viel als zu wenig im Lager. Das beugt zwar einer unerwartet hohen Nachfrage vor, erzeugt aber gleichzeitig höher laufende Kosten und mehr gebundenes Kapital.
Minimum Stock: Vertreter der Minimum Stock Denkrichtung propagieren, von jeder Ware nur so viel vorrätig zu haben, wie sie gerade brauchen. Das senkt zwar die Lagerkosten, lässt ein Unternehmen bei unvorhergesehenen Problemen (wie etwa Lieferengpässen aufgrund einer Pandemie) schnell alt aussehen.
Es gibt demnach Vor- und Nachteile auf beiden Seiten. Was ist da der richtige Weg für dein Unternehmen?
Wie so oft liegt die Wahrheit nicht im Extrem, sondern ist ein Kompromiss aus beiden Denkrichtungen. Gutes Stock Planning setzt auf das sogenannte Goldilocks-Prinzip: So wie im Märchen von Goldlöckchen darf der Brei weder zu heiß noch zu kalt sein.
Übertragen auf die Bestandshaltung bedeutet das: Von einem Artikel darf sich nie so wenig in einem Lager befinden, dass dieser bei hoher Nachfrage nicht mehr lieferbar ist, gleichzeitig aber nie so viel, dass er irgendwann zur Ramschware verkommt. Es gilt, den Sweetspot zu finden.
Aber wo liegt der?
Um den optimalen Lagerbestand zu finden, gilt es, einen Blick in die Zukunft zu werfen und eine Voraussage über die tatsächlich benötigte Menge einer Ware zu treffen; eine Methode, die international als Inventory Forecast bekannt ist.
Als Profis verwenden wir dafür aber natürlich keine Kristallkugel, sondern Kennziffern und mathematische Formeln. Die wichtigsten von ihnen sind die Folgenden:
Die Turnover-Rate gibt an, wie schnell sich ein Artikel verkauft. Aus dieser lässt sich nicht nur ablesen, wie rentabel dieser ist, sondern auch, wie häufig er nachbestellt werden muss. Die Formel wird in der Regel auf ein Jahr berechnet und lautet:
Sales ÷ Inventory = Turnover-Rate
Hast du mit einem Artikel über das Jahr gerechnet, also 100.000 € umgesetzt und hattet im gleichen Zeitraum Waren im Wert von 50.000 € auf Lager, beträgt die Turnover-Rate 2. Das bedeutet: Zweimal im Jahr verwandelst du gebundenes Kapital für dieses Produkt vollständig in Umsatz.
Werte nahe an 1 kennzeichnen dabei in der Regel Ladenhüter und unprofitable Artikel, die hohe Lagerkosten verursachen. Werte jenseits von 4 dagegen, bezeichnen Güter, die zwar schnell abgesetzt, ihrerseits aber häufig nachgeordert werden müssen und damit oft Lieferverzug und Mehrarbeit für die Logistik bedeuten.
Bei beiden Extremen besteht Optimierungsbedarf hinsichtlich des Stock Plannings. Als ideal haben sich Raten zwischen 2 und 4 erwiesen.
Nachdem wir im ersten Schritt identifiziert haben, bei welchen unserer Artikel Handlungsbedarf besteht, gilt es nun, die optimale Lagermenge abzuschätzen. Als Faustformel verwenden Supply Chain Experten dafür die Gleichung:
SAFETY STOCK = 1,65 x √Lead Time Demand
Die genaue Bedeutung von Lead Time Demand findest du in der nächsten Formel; an dieser Stelle ist es nur wichtig zu wissen, dass dieser Faktor sowohl die durchschnittliche Lieferzeit von deinem Produzenten an dein Lager berücksichtigt, als auch deine täglichen Verkäufe mit einschließt – denn je länger die Lieferdauer und je höher der Absatz, desto größer muss natürlich dein Safety Stock sein.
Der Koeffizient von 1,65 wiederum ist lediglich ein Richtwert, der für unterschiedliche Warengruppen durchaus variieren kann. Im Allgemeinen gilt: Je höher die Turn Over Rate, desto größer ist diese Zahl.
Der Wert der Lead Time Demand (zu Deutsch: Vorlaufzeitbedarf) bildet den Gesamtbedarf einer Ware zwischen dem Zeitpunkt einer Nachbestellung und dem geschätzten Zeitpunkt für die übernächste Lieferung ab.
Oder anders ausgedrückt: Lead Time Demand verrät dir, wie viel du von einem Produkt bestellen musst, wenn du sowohl die Lieferzeit, als auch dein Absatz berücksichtigen willst. Errechnet wird er so:
Lead Time Demand = Lead Time ∙ Average Daily Sales
Die Lead Time entspricht hier der Zeitspanne, die von der Abgabe einer Bestellung bis zum Eintreffen der Ware in deinem Lager verstreicht. Wir empfehlen dir dabei, nicht einfach auf die Angaben deiner Zulieferer zu vertrauen, sondern immer ein wenig mehr Zeit für interne Vorgänge wie das Auspacken, Einsortieren und Einbuchen mit einzuplanen.
Die Average Daily Sales, also die durchschnittlichen täglichen Verkäufe, entnehmt ihr am besten deinen eigenen Büchern. Je mehr Daten du dabei zu einem einzelnen Artikel zur Verfügung habt, desto besser.
Nachdem wir nun ausrechnen können, wie gut es um das Stock Planning eines Artikels bestellt ist, wie viel wir von ihm ordern müssen und wie hoch unser Safety Stock sein muss, wäre es noch schön zu wissen, wann genau wir eine Bestellung aufgeben sollten – den Reorder Point.
Auch dieser setzt sich aus einer Formel zusammen, nämlich:
Reorder Point = Lead Time Demand + Safety Stock
Das Ergebnis ist natürlich kein Datum, sondern der minimale Lagerbestand, der erreicht werden muss, bevor die nächste Bestellung aufgegeben werden sollte.
Natürlich ist unsere Auswahl an Formeln bei Weitem nicht vollständig und liefert primär Richtwerte für eine erste Einschätzung des Stock Plannings. Hinzu kommt wahrscheinlich, dass dein Sortiment mehr umfasst, als nur eine Handvoll an Artikeln und die händische Berechnung für jeden einzelnen von ihnen Unmengen an Zeit verschlingen würde. Eine digitale Lösung wäre demnach wünschenswert.
Stock Planning mit Excel solltest du dabei bitte sofort von deiner mentalen Liste möglicher Optionen streichen. Das Tabellenkalkulationsprogramm eignet sich vielleicht noch für gerade beginnende Start-ups und kleine Geschäfte; bei etablierten Unternehmen stößt es in Sachen Möglichkeiten, Umfang und Skalierbarkeit schnell an seine Grenzen.
Weniger eingeschränkt ist die Supply Change Management Lösung von SAP (SAP SCM); konzentriert sich neben der Logistikkette aber vor allem auf den Aspekt des Safety Stock Planning. Insbesondere Schritte, die zwischen Händler und Endkunden liegen, finden nur wenig Beachtung.
Wir empfehlen dir für deinen Stock Planning Prozess daher in jedem Fall eine dedizierte Plattform, die mit deinem Unternehmen mitwächst und neben der Lagerhaltung am besten noch weitere Aufgaben rund um Fulfillment, Auftragsabwicklung und Versandprozesse übernehmen kann.
Dieser Schritt bedeutet für dich kurzfristig zwar eine Investition, birgt langfristig aber so viel Optimierungs- und Einsparungspotenzial, dass er sich unserer Erfahrung nach immer rechnet.
Der richtige Zeitpunkt, dich um eine Lösung für deinen Stock Planning zu bemühen, ist genau jetzt. Zu zahlreich sind die Vorteile: Geringere laufende Kosten, weniger Kapitalbindung, optimierte Zulieferprozesse und zufriedene Kunden.
Wenn ihr dabei nicht in einem Wust aus Tabellen und Formeln ertrinken möchtet, existieren Plattformen, die dir einen Großteil der Arbeit abnehmen können. So sorgt ihr garantiert dafür, dass Bilder wie aus 2020 sich nicht wiederholen.
Titelbild von Kelly Sikkema.